Bergsteigen am Huayna Potosí: Durchatmen auf 6088 Metern!

Am Feierabend gehe ich gerne auf den Kleinheppacher Kopf. Mein Hausberg erhebt sich bis auf beachtliche 452 Höhenmeter und bietet einen herrlichen Ausblick auf die Weinreben des Remstals. Irgendwo hinauflaufen, um von dort oben runterzugucken, mochte ich schon immer. Auch in Bolivien. Nur spielt sich dort alles in größerer Höhe ab. Und laufen reicht bei Schnee und Eis nicht mehr aus. Meine Klettererfahrungen auf Anfängerniveau lagen Jahre zurück, Steigeisen und Pickel kannte ich nur von Fotos. Trotzdem – oder vermutlich gerade deshalb – will der Aufstieg auf den Huayna Potosí eine einmalige Erfahrung bleiben.


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Wie es dazu kam

Schon vor zehn Jahren, während meines ersten Bolivienaufenthaltes, hatte ich vom ‘leichten 6000er‘ nordöstlich von La Paz gehört. Und so ganz hatte mich die Idee, es doch wenigstens zu versuchen, seither nicht losgelassen. Immerhin hatte ich mich im Laufe der letzten Monate sehr gut an große Höhen gewöhnt und viel Sport gemacht. Ich fühlte mich fit und war kerngesund.

 

Wenn der Berg ruft!

 

Wenn also jemals der geeignete Zeitpunkt gekommen sein sollte, mich aus eigener Kraft in sauerstoffarme Höhen zu hieven, dann wohl jetzt. Bald würde mich ein Freund in Bolivien besuchen. Er brauchte sowieso dreimal täglich Auslauf. Das wäre doch bestimmt auch etwas für ihn. Ich erzähle von meinem Vorhaben. Er durchkämmt das Internet nach Informationen und sagt zu.

 

Drei Wochen später stehen wir im Büro des Tourveranstalters in La Paz. Wir haben uns für eine Dreitages-Tour entschieden. Man kann den Huayna Potosí auch in zwei Tagen begehen. Dann ist der Schmerz kürzer, die Erfolgsaussicht erheblich geringer, sagt man. Wir sind zu Briefing und Anprobe verabredet. Man erklärt uns den Ablauf und stattet uns mit einer kompletten Bergsteigerausrüstung inklusive langer Fleece-Unterhose aus. Am nächsten Tag geht es los.

 

Tag 1 – Fahrt zum Refugio und praktische Übung am Gletscher

Gemeinsam mit zwei Bergführern und zwei Amerikanern sitzen wir im Auto und verlassen La Paz in Richtung Cordillera Real. Noch ein kurzer Stopp, um letzten Proviant zu erwerben, dann taucht in der Ferne auch schon unser Ziel auf. Ein Berg wie aus dem Bilderbuch: der schneebedeckte Gipfel erhebt sich über kargen Hügeln. Schön sieht er aus, der Huayna Potosí, aber vor allem hoch. Mir wird etwas mulmig. Schließlich blicke ich auf keinerlei bergsteigerische Erfahrung zurück. Ich mache ein paar Erinnerungsfotos und atme tief durch.

 

Gegen Mittag erreichen wir das Refugio in 4800 Metern Höhe. Wir richten es uns auf dem Dachboden gemütlich ein, bevor es zur Unterrichtsstunde auf den Gletscher geht. Ich werfe mich in meine Ausrüstung in Übergröße und schnalle Pickel und Steigeisen an meinen Rucksack. Jetzt sollte ich also schonmal einen kleinen Vorgeschmack auf unser Vorhaben bekommen.

 

Am Gletscher gibt es eine Einführung zum Thema Bergbesteigung mit anschließender Praxiseinheit. Die Lektionen: Gehen in Seilschaft, Einsatz von Pickel und Steigeisen, die fünf verschiedenen Schrittkombinationen, Klettern in der Steilwand. Letzteres halte ich genau solange für einen Witz, bis ich selbst am Eis hänge. Abschließend versichere ich mich, dass unser Guide Victor mir in zwei Tagen am Berg auch die richtige Gehtechnik ansagen würde. Por supuesto – selbstverständlich! Es wird eine unruhige und kalte Nacht.

 

 

Tag 2 – Theorie und Aufstieg zum High-Camp

Am nächsten Vormittag ist Zeit zur freien Verfügung. Die Unterhaltung in unserer Reisegruppe entpuppt sich als Lehrstunde in Sachen ‘Leben am Berg‘. Mundhygiene und Wechselbekleidung scheinen überbewertet. Ins Gepäck gehören ausschließlich Klamotten für eine Polarexpedition sowie eine Reiseapotheke, mit der man die selbige drei Wochen in Trance versetzen könnte. Energie wird lediglich in Form von Gel, Protein-Riegeln und bunten Pillen zu sich genommen. Ich wasche mir morgens noch brav den Hals, liebe meine beige Fleece-Jacke und schwöre auf ausreichend Tee, kräftige bolivianische Kost sowie mit Erdnüssen angereicherte Schokoriegel.

 

Nachmittags wandern wir ins 5100 Meter hoch gelegene High-Camp. Mein Rucksack scheint jedoch ins Tal zu wollen. Er zieht wirklich schwer an meinen Schultern, als wir über die schmalen Wege und steinigen Pfade gehen. Immer wieder zeigt sich der schneebedeckte Gipfel des Huayna Potosí mehr als 1000 Höhenmeter über uns. Die Luft wird merklich dünner und das Atmen fällt schon schwerer.

 

 

Beim Abendessen stelle ich eine mir sonst unbekannte Appetitlosigkeit fest. Ich führe mir trotzdem möglichst viele Kohlenhydrate zu. Der Körper braucht schließlich Kraft! Dann setze ich mein neuerworbenes Wissen in die Tat um. Die Zahnbürste bleibt im Rucksack, ich entledige mich nur meiner Winterjacke und schlüpfe wie ich bin samt meinem zwanzig Jahre alten Synthetik- in den geliehenen Daunenschlafsack.

 

Tag 3 – Auf zum Gipfel

Wie ein Baby schlafe ich. Bis um Mitternacht der Wecker klingelt. Um ein Uhr soll es losgehen. Aufgeregt schlüpfe ich in Klettergurt und steigeisenfeste Schuhe. Helm und Stirnlampe auf den Kopf. Ich fühle mich fit, habe keine Kopfschmerzen und Appetit auf trockene Kekse. Ausnahmsweise trinke ich nur eine Tasse Tee. Ich habe ja keine Pillen gegen Harndrang. Was mich nervös macht, ist mein Proviant. Werden ein halber Liter Wasser und der Schokoriegel ausreichen? Normalerweise verzehre ich während einer Wanderung schließlich belegte Brote und schäle Vespereier.

 

Wir gehen los. Der Aufstieg zum Gipfel ist unwirklich. Zu dritt hintereinander stapfen wir durch den Schnee. Links das Seil, rechts der Pickel. Über uns tausende Sterne. Nach zwei Stunden blicke ich zum ersten Mal zurück. In weiter Ferne blinken die Lichter von El Alto. Stille … Wir machen nur wenige Pausen. Viktor erkundigt sich regelmäßig, wie es uns geht und ob wir weitergehen möchten. Es ist anstrengend. Aber ich denke nicht an umkehren. Nudeln und Adrenalin tun das Übrige.

 

 

Die erste etwa 50 Meter lange steile Kletterpassage ist überwunden. Es beginnt leicht zu schneien. Da mir unser Guide keine der eingeübten Schrittkombinationen zuruft, komponiere ich meinen eigenen Rhythmus: eins – zwei – drei – vier – Pickel, eins – zwei … Ich nehme mir vor, noch kleiner Schritte zu machen, noch gleichmäßiger zu atmen. Der Blick nach oben lässt den Weg erahnen. In der Ferne kleine Lämpchen. Es ist noch weit. Ich versuche, meine Gedanken auszuschalten. Gehe so langsam wie möglich. Nach fünfeinhalb Stunden Aufstieg erreichen wir den letzten Abschnitt. Der Berg wird immer steiler. Er zwingt mich auf alle Viere.

 

Und dann, wenige Meter unterhalb des Gipfelgrats, überkommen mich plötzlich doch für einen kurzen Moment meine Emotionen. Ausblick mochte ich ja schon immer. Den Blick zurück und den Blick nach vorn. Ich verdrücke zwei Tränchen und kraxle die letzten Meter bis zum Gipfel. Dort verpflockt uns Viktor im Eis. Gekonnt lichtet er uns ab. Vor uns die aufgehende Sonne, im Hintergrund der Titicacasee. Ich will mich stärken, aber der Schokoriegel in meiner Jackentasche ist hart wie Stein.

 

 

Später

Zwei Stunden später erreiche ich völlig erschöpft wieder das High-Camp und strecke alle Viere von mir. Nach drei Stunden stolpere ich ins Refugio und suche meine restlichen sieben Sachen zusammen. Abends belohnen wir uns mit Hausmannskost. Zum Nachtisch gibt es den aufgetauten Riegel. Am nächsten Tag fahren wir an den Titicacasee. Wir sitzen im Bus auf der rechten Seite. Von weitem ist der Huayna Potosí schön anzuschauen. Im Jahr darauf hängen meine Steigeisen am Nagel. Schokolade ist auf 452 Metern bekömlicher.

 

Infos

  • Der Huayna Potosí ist 6088 Meter hoch und liegt nordöstlich von La Paz.
  • Er gilt als technisch leichter 6000er und wird gerne als Spaziergang verkauft.
  • Der Weg zum Gipfel führt aber stundenlang in Dunkelheit über Schnee und Eis sowie zwei steile Kletterpassagen. Kälte und Höhe erschweren den Aufstieg.
  • Bereite dich sehr gut vor: Treibe zu Hause regelmäßig Sport und akklimatisiere dich in Bolivien langsam. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit verstehen sich von selbst.
  • Achte auf beste Gesundheit: Keine Anzeichen von Höhenkrankheit, Erkältung oder Magen-Darm-Beschwerden?

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Wer da schreibt? 

Hola, ich bin Maike. Bolivien ist für mich Sehnsucht und Faszination zugleich: Die einzigartigen Landschaften, lebendigen Traditionen und herzlichen Begegnungen berühren mich immer wieder. Erlebe auch du dieses einmalige Land Südamerikas!

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